Lange Zeit war es ruhig geworden um frauenbewegte Themen. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, als seien in der westlichen Welt alle großen Fragen der Geschlechtergerechtigkeit abgearbeitet. Dass dieser Eindruck täuscht, dass die Probleme heute vielleicht nur auf einer subtileren Ebene jenseits von rechtlichen und gesetzlichen Regelungen anzutreffen sind, macht seit geraumer Zeit die von Amerika ausgehende „MeToo“-Debatte deutlich. Und plötzlich wird auch hierzulande wieder diskutiert, über das Verhältnis von Männern und Frauen, über Ebenbürtigkeit, über wohltuende Begegnungen „auf Augenhöhe“ und über solche, bei denen Männer ihre vermeintliche Machtposition für die Herabwürdigung und Demütigung von Frauen missbrauchen.
Wie ein eindringlicher Appell liest sich vor diesem Hintergrund das Buch des 2015 verstorbenen Autors Eduardo Galeano mit dem schlichten Titel „Frauen“. Galeano, 1940 in Montevideo geboren und dort 2015 verstorben, gilt als einer der großen Intellektuellen Südamerikas - und als Meister der kleinen Form. Sein Leben lang hat er Geschichten gesammelt, die alle um ein Thema kreisen: das Verhältnis von Unterdrückern und Unterdrückten. Sein Leben lang hat er sich als Anwalt derjenigen verstanden, die, egal wie schön oder reich oder klug, auf der Schattenseite des Lebens standen - aus einem einzigen Grund: weil sie eine Frau waren.
Kurz vor seinem Tod hat Galeano noch den jetzt in deutscher Übersetzung vorliegenden Band veröffentlicht, der in ebenso eindringlicher wie eindrucksvoller Kürze Geschichten von bemerkenswerten Frauen aus verschiedenen Zeiten und allen Teilen der Welt erzählt. Von Kleopatra bis Hildegard von Bingen reichen diese Texte und von der schwarzen Sklavin Sally (die dem amerikanischen Präsidenten und Witwer Jefferson den Haushalt besorgte) bis zu den jungen Chinesinnen, die sich in Peking als Ammen verdingen, während ihre eigenen Neugeborenen zu Hause mit Trockenmilch aufgezogen werden. Fast 200 Geschichten versammelt der Band, von denen die wenigsten mehr als eine Seite benötigen. Galeano schafft es mit großartiger Subtilität und ohne jede Larmoyanz, unbekannte ebenso wie prominente Frauen vorzustellen und den Fokus auf jenen Punkt ihrer Biografie zu richten, der sie - trotz oder eher wegen Schönheit, Klugheit oder Reichtum, wegen ihres Muts, ihrer klugen Ideen, ihres kühnen Kampfgeists - zur Zielscheibe kleinlicher, hinterhältiger, oft geschickt kaschierter männlicher Aggression machte. Dabei vermeidet Galeano jeden moralisch erhobenen Zeigefinger - die Geschichten sprechen für sich. Wie die von dem afghanischen Fundamentalisten, der nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen 1979 bei einer Konferenz zu Protokoll gab: „Die Kommunisten haben unsere Töchter entehrt! Sie haben ihnen das Lesen und Schreiben beigebracht!“
Galeanos Buch gehört unbedingt auf den Nachttisch aller jungen Frauen - und unbedingt auch auf den aller jungen Männer!!
Rita Mielke
Eduardo Galeano: Frauen. Wuppertal: Peter Hammer Verlag. 2017. 222 S., 22,- Euro