Heinrich Böll war ein Kind des Rheins, geboren in Köln, „wo der Rhein, seiner mittelrheinischen Lieblichkeit überdrüssig, breit wird und in die totale Ebene hinein auf die Nebel der Nordsee zufließt”. Die Rheinlandschaft hatte für ihn „ein unersetzliches Panorama, das von jedem besungen wurde, der je einen Vers zu schmieden vermochte".
In die eindrucksvolle Reihe all jener Autoren, die dem längsten westeuropä-ischen Fluss und seinen wechselnden Landschaften ihre literarische Reverenz erwiesen haben (von Lord Byron über Goethe und Johanna Schopenhauer bis hin zu Heinrich Heine), reiht sich jetzt auch Elke Heidenreich ein. Zwar ist sie nicht am Rhein, sondern an der Ruhr geboren, gelebt aber hat sie seit ihren jungen Jahren in enger Verbundenheit mit diesem, „ihrem“ Strom: „Er weiß viel von mir, er hat viel mitgekriegt“. Im Frühjahr und Sommer 2017 hat sie gemeinsam mit dem Fotografen Tom Krausz den Rhein bereist, von seinen Quellen in den Alpen bis zum Mündungsdelta an der Nordsee, in mehreren Etappen, mal auf dem Schiff, mal zu Fuß oder mit dem Auto am Ufer entlang. Nicht romantische Naturschwärmerei, nicht historisches Reiseführerwissen machen das Besondere dieses Buches aus. Vielmehr ist es eine Mischung aus nachdenklichen Reflexionen, persönlichen Reminiszenzen und erlebten Geschichten, die für den unverwechselbaren Heidenreich-Grundtenor sorgen. Umweltsünden und schäbige Verunstaltungen gehören dabei ebenso ins Bild wie Landschaften, die einfach „lieblich“ sind und denen man sich nicht entziehen kann. Alles in allem sei er schon „majestätisch“, lautet dann auch die respektvolle Würdigung, mit der Elke Heidenreich ihre Reiseeindrücke von Vater Rhein auf den Punkt bringt.
Und weil Bücher und Texte im Leben der Literaturkritikerin Heidenreich grundsätzlich mit „an Bord“ sind, fehlt es in den 26 Kapiteln des Buches auch nicht an Zitaten aus beredten Rheinreisenden-Quellen – von Carmen Sylva (dem Pseudo-nym der rumänischen Königin Elisabeth) über Sebastian Brant mit seinem spätmittelalterlichen „Narrenschiff“, Clemens Brentanos’ „Lore Ley“-Ballade bis hin zu Karnevalsversen von den „3 Colonias“: „Es war in Königswinter…“
Tom Krausz hat eindrucksvolle Rhein-Reise-Bilder zu dem Band beigesteuert, die neben der hochwertig-matten Papierauswahl den ebenso kunst- wie anspruchsvollen Charakter des Buches unterstreichen.
Den Titel des Buches hat Elke Heidenreich bei dem griechischen Philosophen Heraklit entlehnt: „Alles fließt“ – „panta rhei“. Denn, so lesen wir, alles ist in Bewegung auf diesem, an diesem Fluss, alles verändert sich, und doch: „Es ist am Rhein so schön, trotz allem.“ Heidenreich-Fans und Rhein-Liebhaber kommen bei diesem Buch gleichermaßen auf ihre Kosten. Ideal zum Verschenken oder Sich-selber-Schenken.
Rita Mielke
Elke Heidenreich/Tom Krausz: Alles fließt. Der Rhein. Eine Reise. Bilder. Geschichten. Wiesbaden: Corso. 2018. 256 S., 25,- Euro