Ausstellungen, Vorträge, Fernsehdokumentationen, Bücher, Internetportale: Das Bauhaus ist in diesem Jubiläumsjahr d a s große Kulturthema. Was in Weimar 1919 begann und in Dessau und Berlin seine Fortsetzung erlebte, war ein genialer Aufbruch in die Moderne, war Ideenschule und Experimentierfeld zugleich für Architektur und (angewandte) Kunst, für Gestaltung und Pädagogik. Namen wie Walter Gropius, Lyonel Feininger, Paul Klee, Oskar Schlemmer, Ludwig Mies van der Rohe oder Wassily Kandinsky sind aufs Engste mit den bahnbrechenden Bauhaus-Konzeptionen verbunden. – Spätestens bei dieser Aufzählung offenbart sich die Krux: Wo bitteschön waren/sind denn die Bauhaus-Frauen? Dass Kreativität sich am Bauhaus unabhängig vom Geschlecht entfalten sollte, war erklärtes Ziel der Bauhaus-Gründer. Als dann aber die Frauen in Scharen kamen, fürchteten Gropius und seine männlichen Mitstreiter um „den guten Ruf” und versuchten die Frauen in die Textilklassen abzudrängen. Sowenig sich die Bauhaus-Protagonisten mit Ruhm bekleckert haben, sowenig hat es die nachfolgende Geschichtsschreibung getan. Denn als 1933, nach nur 14 Jahren, das Bauhaus angesichts der Anfeindungen durch die Nationalsozialisten seine Tore schließen musste, gerieten die Bauhaus-Frauen, die allen Widrigkeiten zum Trotz ebenso kühn, spektakulär und wegweisend gearbeitet hatten wie ihre männlichen Kollegen, auf kurzem Weg in Vergessenheit. – Es ist sicher kein Zufall, dass sich 2019, im Jubiläumsjahr „100 Jahre Bauhaus“, eine ganze Reihe von Autorinnen und Autoren den vergessenen Bauhaus-Frauen widmen. Dazu gehört auch die Architekturwissenschaftlerin Jana Revedin, die einen Roman über Ise Frank, die zweite Frau von Walter Gropius, veröffentlicht hat: Ise Frank, „Frau Bauhaus“, von Haus aus Buchhändlerin, eine Frau mit „pack an“, die zu einer passionierten Mitkämpferin für die Bauhaus-Ideen wurde, die für Gropius alle Sekretariatsaufgaben übernahm, den größeren Teil seiner Vorträge eigenständig verfasste, der Gropius selbst dann noch die zu erledigenden Arbeiten brachte, als sie im Krankenhaus lag – und er sich mit anderen Frauen tröstete… Jana Revedin erzählt Ise Franks Geschichte im Kontext ihrer Zeit, einer Zeit, die kühne, großartige Aufbrüche auf der einen Seite mit einem kleingeistigen, verknöcherten Frauenbild verband, offensichtlich, ohne diese Diskrepanz als ebenso frag- wie unwürdig zu empfinden. Ise Frank steht für viele andere Bauhaus-Frauen und für viele Frauen jener Zeit, die zwar 1919 zum ersten Mal zur Wahl gehen durften, aber weit davon entfernt waren, den männlichen Zeitgenossen „auf Augenhöhe“ begegnen zu können.
Rita Mielke
Jana Revedin: Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus. Köln. Dumont. 2018. 304 S., 22,- Euro