Die Finanzverwaltung hat in den letzten Wochen geänderte Einkommensteuerbescheide für verschiedene Jahre ab 2012 versandt und viele fragen sich, warum die Änderung erfolgte und wie das nach all den Jahren überhaupt noch möglich war.Begonnen hatte alles mit einer Klage vor dem Finanzgericht Baden- Württemberg im Jahr 2014, in dem ein Steuerpflichtiger die Berechnung der zumutbaren (Eigen)-Belastung bei den sog. außergewöhn-
lichen Belastungen, worunter im Wesentlichen Krankheitskosten fallen, beanstandete.
Die zumutbare Belastung wurde von mehreren Komponenten bestimmt. Ausgangspunkt war der Gesamtbetrag der Einkünfte, der in drei Gruppen aufgeteilt wurde (vereinfacht beschrieben: kleine, mittlere und hohe Einkünfte), die Anzahl der zu berücksichtigenden Kinder und die Anwendung der Grund- oder Splittingtabelle.
Die Belastung lag also bei hohen Einkünften ohne Kinder als steuerlicher Single mit 7 % am höchsten und für Steuerpflichtige mit drei oder mehr Kindern in der kleinen und mittleren Einkünftekategorie mit 1 % am niedrigsten.
Nach der herrschenden Meinung wurde die zumutbare Belastung so ermittelt, dass man in die zu § 33 EStG abgedruckte Tabelle schaute, die Einkünftekategorie bestimmte, dann die Anzahl der Kinder und die anzuwendende Steuertabelle und schließlich den dazugehörigen Prozentsatz aus der Tabelle ablas.
Hiergegen wandte sich der Steuerpflichtige mit seiner Klage, der vom Bundesfinanzhof mit Urteil vom 19.01.2017 in diesem Punkt stattgegeben wurde. Nun wird die zumutbare Belastung stufenweise ermittelt, d. h. von dem Einkünfteanteil, der in die kleine Einkünftekategorie fällt, wird auch nur der geringere Prozentsatz gerechnet, von den Einkünften, die in die mittlere Kategorie fallen, der etwas höhere Teil und nur für den übersteigenden Anteil wird der Prozentsatz aus der höchsten Einkünftekategorie angewandt.
Beispiel: Einem kinderlosen Ehepaar mit einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 70.000,- EUR wurde nach der alten Lesart eine Eigenbelastung von 6 %, (das sind 4.200,- EUR) zugemutet; nach der neueren Interpretation, in der die Einkünfte stufenweise betrachtet werden, beträgt die zumutbare Belastung nur noch 3.536,- EUR.
Die Finanzverwaltung hat diesen Rechtsstreit von Beginn an verfolgt und Steuerbescheide, die von dieser Rechtsfrage betroffen waren, vorläufig nach § 165 AO festgesetzt. So bestand nun nach Beendigung des Verfahrens und Anerkennung dieser für die Steuerpflichtigen günstigeren Berechnungsmethode durch die Finanzverwaltung die Möglichkeit, diese Einkommensteuerbescheide noch zu ändern.
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Gabriele Visscher · Steuerberater · An der Insel 32 · Korschenbroich · Tel. 02161.475197