Ein Garten, in dem nicht nur Blumen und Sträucher und Bäume wachsen, sondern auch Geschichten prächtig gedeihen: So dürfen wir uns als Leserinnen und Leser das grüne Paradies vorstellen, das der prominente israelische Schriftsteller Meir Shalev angelegt hat. Anemonen blühen dort und dank milder klimatischer Verhältnisse auch Mohnblumen, Alpenveilchen, Klematis, Feigen, Birnen und ein Zitronenbaum. Shalevs Garten sprießt so bunt und wild und opulent wie seine Fantasie. Und der Autor, der erst spät zum Schreiben und noch später zum Garten gefunden hat, verbindet das eine mit dem anderen und begleitet in seinem Buch „Mein Wildgarten“ das Gartengeschehen mit Geschichten über Mensch, Natur und Kreatur, über Kulinarisches und Politisches und immer wieder über die Literatur.
In 48 kurzen Texten erleben wir Meir Shalv, wie er intensive Ameisenstudien betreibt, seinem geliebten Kater Kramer im Garten eine letzte Ruhestätte bereitet oder Glücksmomente erlebt angesichts des wunderbaren Klangteppichs, den Bienen und Vögel in seinem grünen Paradies ausbreiten.
Wenn Meir Shalev von seinem hoffnungslosen „Krieg“ gegen die Blindmäuse berichtet, die sich die Vorherrschaft im Garten durch keine noch so ausgebuffte Kriegsstrategie streitig machen lassen; wenn er sich gleichsam selbst dabei beobachtet, wie er mit akrobatischen Verrenkungen ein paar verstreute Alpenveilchensamen unter dem Schreibtisch vor dem vertrocknen bewahrt; wenn er darüber nachdenkt, warum ausgerechnet die Unkräuter in seinem Garten an Kraft und Vitalität alle anderen Pflanzen in den Schatten stellen, dann mischen sich dabei kluge philosophische Reflexionen, die unbeschwerte Naivität des gärtnernden Amateurs und eine gute Portion Selbstironie. Dass Shalev ursprünglich einmal Zoologe werden wollte, stellt er in seinem Buch nirgendwo heraus, aber die Genauigkeit seiner (Tier-)Beobachtungen verrät dann doch an vielen Stellen den kundigen Beobachter. Dass er zudem auch ein zutiefst politisch denkender Mensch ist, blitzt zwischen den Zeilen immer wieder auf – etwa dann, wenn er über den Kaktusbaum sinniert, der „weder arabisch, noch jüdisch, weder zionistisch noch antizionistisch, sondern ein Migrant ist. Er stammt aus Mexiko".
Zu den besonders eindringlichen Kapiteln gehört das über die Geduld. Schreiben wie Gärtnern treibe die Ungeduld aus, sagt Shalev, und erzwinge Respekt vor dem Faktor Zeit: „So habe ich denn gelernt, auf die selbstgesetzten Bäumchen zu warten, die langsam neben mir wachsen, auf die Knollen, die dick und groß werden müssen, ehe Blumen sprießen, und auf die Samen, die erst keimen, wenn ihre inneren Uhren sagen: Jetzt! Genauso warte ich, bis eine Geschichte langsam reift, sich mit ihren Helden einig wird und ihren Autor kennenlernt….“
Eine wunderbare Leseempfehlung, dieser „Wildgarten“, für HobbygärtnerInnen ebenso wie für BuchliebhaberInnen!
Rita Mielke
Meir Shalev: Mein Wildgarten. Zürich: Diogenes 2018. 338 S., 24,00 Euro