Zu den schönsten Reihen, die der deutsche Buchmarkt in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat, gehören die „Naturkunden“ aus dem Verlag Matthes & Seitz in Berlin. 2013 begonnen und inzwischen auf mehr als 50 kleine, feine Bändchen angewachsen, gelingt diesen von Judith Schalansky herausgegebenen Bändchen etwas sehr Besonderes – „die Schönheit der Welt in der Schönheit eines Buches“ einzufangen. Egal, ob liebevoll editierte Bände sich dem Wolf oder dem Hirsch, Kakteen oder Nelken, der Sprache der Vögel oder der Einsamkeit in der Wüste widmen: Nie geht es allein um nüchterne wissenschaftliche Fakten, sondern immer auch um die Faszination einer Welt voller (Natur-)Wunder – und um den neugierigen, den staunenden und forschenden und vielleicht begreifenden Blick des Menschen auf seine (Um-)Welt.
Ein eindrucksvolles Beispiel leistet der aktuelle Band 55 der Reihe, in dem sich der Übersetzer und Autor Joachim Sartorius den „Eidechsen“ widmet, zu denen er ein ganz enges und durchaus emotionales Verhältnis hat: „…wann immer ich mich am Mittelmeer aufhielt… waren Eidechsen zugegen. Nach und nach wurde die Eidechse für mich eine Chiffre für den Süden, immer im Verbund mit Licht und sonnenheißem Stein.“ Sein Buch über die Eidechsen erzählt von den persönlichen Erlebnissen – mit den Eidechsen im Garten im Tunis, den Geckos an der Wand des zypriotischen Arbeitszimmers oder den Echsen im Terrarium der Töchter; und er liefert zugleich jede Menge Fakten – über das „kalte Blut“ der Echsen, die deshalb die Wärme der Sonne so dringend brauchen; über die außerordentliche Fähigkeit der Tiere, ihren Schwanz – bei Gefahr – abzustoßen und dann wieder nachwachsen zu lassen, nicht zuletzt über außergewöhnliche Paarungsoptionen. Weshalb Echsen – anders als vielen anderen Tieren – niemals vermenschlichende Eigenschaften unterstellt wurden, ist eine der Leitfragen, die Sartorius‘ Ausführungen begleiten.
Einem ganz anderen Thema widmet sich Petra Ahne in ihrem Buch über die „Hütten“ (Bd. 53 der „Naturkunden“). Die Berliner Journalistin hat selbst mit ihrer Familie eine Hütte im Grünen errichtet. In der Woche lebt sie in Berlin, am Wochenende geht es raus ins Brandenburgische. Gerade mal 34 Quadratmeter ist die kleine Freiheit im Grünen groß, enthält nur das Nötigste zum Leben – und ist der perfekte Rückzugsort, direkt am Wald und mit einem kleinen See in der Nähe. Nur ein Dach und vier hölzerne Wände trennen hier die äußere Natur vom Lebensraum der Menschen, gerade so, wie man sich die Urform menschlichen Behaustseins vorstellt. Mit ihrer Begeisterung für das Hüttenleben weiß Petra Ahne sich in guter Gesellschaft. Ob Martin Heidegger, Onkel Tom, Lady Chatterley oder die aktuelle „tiny house“-Bewegung in den USA: Sie alle verbindet die Faszination für die so andere, schlichte Form des Wohnens. Für Petra Ahne spiegelt sich darin vor allem das Bedürfnis, ein neues Band zu knüpfen zu einer Natur, von der uns die Zivilisation dramatisch entfremdet hat. Persönliche Erfahrungen und kulturhistorische Recherchen ergeben in ihrem Buch eine wunderbar lesbare Mischung.
Rita Mielke
P. Ahne: Hütten. 132 S., 28,- Euro, J. Sartorius: Eidechsen. Berlin: Matthes & Seitz. 136 S., 20,- Euro