Es hat Zeiten gegeben, in denen sich hierzulande Wissenschaft – und Wissenschaftler - gern in ihren akademischen Elfenbeinturm zurückzogen und sich scheuten, ihr Fachwissen allgemein verständlich darzulegen. Heute dagegen nutzen junge Physiker, Mediziner, Biologen oder Naturwissenschaftler gern die Möglichkeit, kompaktes und komplexes Wissen auch für Nichtakademiker spannend, unterhaltsam und anregend zu präsentieren. Einer von ihnen ist Florian Freistetter, ein junger österreichischer Astronom, der sich als Wissenschafts-Blogger („Astrodicticum simplex“), mit einem wöchentlichen Podcast („Sternengeschichten“) und als Wissenschaftskabarettist einen Namen gemacht hat. Dass er sein Fachwissen fundiert und gleichzeitig ungeheuer inspirierend an den Mann und die Frau zu bringen weiß, beweist Florian Freistetter jetzt auch in seinem neuen Buch „Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen“. Darin lädt er ein zu einer Reise durch Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Kosmos und fragt nach der Faszination, die Himmel und Himmelskörper immer schon auf den Menschen ausgeübt haben.
Diese Faszination liegt für Florian Freistetter wesentlich darin begründet, dass die Sterne am Himmel für den Menschen unerreichbar sind. Man kann sie bestaunen, aber absolut keinen Einfluss auf sie nehmen. Menschen haben die dynamische Bühne des Nachthimmels zu allen Zeiten verwendet, um eigene Gedanken, Wünsche, Mythen und Religionen darauf zu projizieren. Erst seit wenigen Jahrzehnten sind die Sterne keine „Lichtpunkte“ mehr, sondern als naturwissenschaftliche Forschungsobjekte zugänglich.
In seinem Buch erzählt Florian Freistetter von der Suche der Astronomie nach außerirdischem Leben, er erklärt, wie schwarze Löcher funktionieren und warum die Dinosaurier ausgestorben sind. Dank Gamma Draconis, so lernen wir, können wir heute erklären, dass die Erde sich um ihre Achse dreht, und 61 Cygni hat uns verraten, wie groß der Kosmos ist. Die Kinderliedfrage „Weißt Du, wieviel Sternlein stehen“ muss – so Freistetter - jeder seriöse Astronom mit einem eindeutigen „Nein“ beantworten. Aber immerhin hat die amerikanische Astronomin Dorrit Hoffleit in den 1950er Jahren eine Liste aller theoretisch von der Erde aus sichtbaren Sterne erstellt – und kommt dabei auf 9095 Exemplare! Überhaupt verhilft die Lektüre von Freistetters Buch nicht zuletzt auch zu der Erkenntnis, dass der Himmel der Astronomie durchaus von leuchtenden weiblichen Sternen bevölkert wurde – und wird -, aber wie in vielen anderen Disziplinen auch sind deren Namen weitgehend unbekannt: Und so gilt es, neben der Geschichte der Astronomie in Freistetters Buch auch den Beitrag etwa der Amerikanerin Henrietta Swan Leavitt, der Argentinierin Amina Helmi oder der Engländerin Cecilia Payne zu würdigen. Der Himmel – so fern und doch so nah: Florian Freistetters Sternen-Geschichten sind eine ebenso kluge wie unterhaltsame Einladung, den Blick einmal wieder nach oben und in die grenzenlose Weite des Universums zu erheben.
Rita Mielke
Florian Freistetter: Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen. München: Hanser. 2019, 304 S., 22,- €