Überraschenden Besuch empfing Bürgermeister Marc Venten im Rathaus: Vier Handwerkerinnen und vier Handwerker auf der Walz überbrachten ihren traditionellen Gruß und baten um Stempel und Unterschrift.
Tischler, Zimmerer, Bootsbauer, Dachdecker und Polsterer gehören zu der Gruppe, die in einem Korschenbroicher Tischlereibetrieb eine Nachtunterkunft gefunden hatte. Nach dem Empfang und einer kleinen Stärkung im Rathaus geht es nun weiter Richtung Süden. Die jungen Leute aus Flensburg, Hamburg, Bremen, Berlin, dem Erzgebirge und Bad Segeberg sind ausnahmsweise gemeinsam unterwegs, um einen neuen Kollegen aus Grefrath Oedt auf seinen ersten Kilometern der Wanderschaft und damit aus seinem „Bannkreis“ hinaus zu begleiten. 50 Kilometer um den Heimatort herum darf er sich in den kommenden drei Jahren nicht aufhalten. Ansonsten aber steht ihm die ganze Welt offen.
Die Wanderjahre durchleben zünftige Gesellen nach Abschluss ihrer Lehrzeit. Diese Walz war vom Spätmittelalter bis zur Indus-trialisierung eine Voraussetzung für die Zulassung zur Meisterprüfung. Die Gesellen von damals sollten neue Arbeits-praktiken, fremde Orte, Regionen und Länder kennenlernen und Lebenserfahrung sammeln. Daran hat sich wenig geändert, auch wenn der Stempel und Bürgermeister-Eintrag ins Buch heute symbolischen Charakter hat, wogegen er im Mittelalter als „Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis innerhalb der Stadttore“ zwingend erforderlich war.
Nach wir vor dürfen die jungen Reisenden mit dem Wanderstab maximal drei Monate an einem Ort arbeiten, um sich das Geld für die nächsten Tage und Wochen zu verdienen. Dann müssen sie weiterziehen. Ohne Kreditkarte. Ohne Handy. Nur mit den Beuteln ausgestattet, die Schlaf- und Wechselsachen enthalten. Ein Verzicht? Ein Gewinn? Einig ist sich die Gruppe darin, dass die Wanderjahre individuelle und einmalige Erlebnisse bieten, an die man sich gerne erinnert, wenn man später den elterlichen Betrieb übernimmt – oder fern der Heimat neue Wurzeln schlägt.