© annanahabed – stock.adobe.com
„Frühling lässt sein blaues Band…“: Selten war das Bedürfnis nach Sonne, Wärme, ein bisschen lauer Luft und frischen Farben so groß wie in diesem Jahr. Wem wäre dieser lange Corona-Winter nicht aufs Gemüt geschlagen?! Aber jetzt herrscht, zumindest in der Natur, Aufbruchstimmung. Und diese Atmosphäre weckt neue Lebensgeister und hebt die Stimmung. Passend dazu die frühlingshaft-gutgelaunten Buchempfehlungen von Rita Mielke
Augsburg: te Neues. 2020. 144 S., 19,90 €
Das perfekte Frühjahrsgeschenk – und dazu noch unverblühbar! Tulpen sind die Boten des Frühlings überhaupt, egal ob im Garten oder in der Vase. Der renommierte englische Fotograf und Maler Peter Arnold hat ihre Schönheit in perfekt inszenierte fotografische Stillleben gebannt, die den schlichten Exemplaren ebenso huldigen wie den exotischen Schwestern. Beim Anblick dieser Aufnahmen lässt sich nachvollziehen, dass es im 17. Jahrhundert in Holland eine wahre Tulpenmanie gegeben hat und so mancher Züchter für eine einzige Tulpenzwiebel ein ganzes Vermögen aufs Spiel zu setzen bereit war. Auch Sir Elton John, der zu diesem hochwertigen Geschenkband ein Vorwort beigesteuert hat, ‚outet‘ sich darin als wahrer Tulpen-Maniac. Und Peter Arnold widmet der einen oder anderen Blüte kleine, feine Haiku-Verse... Ein wahrlich perfekter Buch-Genuss!
Berlin: Ullstein. 2020. 128 S., 20,00 €
„Was ist das Tapferste, das du je gesagt hast?“ fragte der Junge. „Hilfe“, sagte das Pferd.“ – Das Buch, in dem diese wie viele andere wunderbare Sätze zu lesen sind, ist ein Schatz, in jeder Hinsicht. Die Geschichte, so schlicht sie daherkommt, ist voller Tiefgang und zutiefst berührender Weisheit: Es ist die Geschichte eines Jungen, der wenig Zutrauen zu sich selbst und anderen hat und der eines Tages, ganz allein auf dem Weg nach Hause, auf einen kleinen Maulwurf, einen Fuchs und ein Pferd trifft. Die Fragen des Jungen kreisen um Existenzangst, Einsamkeit und das Gefühl, nicht zu genügen. Der Maulwurf reagiert pragmatisch, ihm hilft Kuchen über die meisten seiner Sorgen hinweg. Der Fuchs agiert vorsichtig, angesichts der vielen Verletzungen, die ihm zugefügt wurden. Das Pferd schließlich ist der sanfte und weise Ratgeber in all den vielen Fragen des Lebens. Der komplett kalligrafierte Text und die außerordentlichen Tuschezeichnungen, in deren liebevolle Ausgestaltung man sich versenken kann, machen es nachvollziehbar, dass dieser Band in England und den USA bereits sämtliche Bestsellerlisten gestürmt hat. Die gelungene deutsche Übersetzung stammt im Übrigen von der Mönchengladbacher Autorin Susanne Goga!
Reinbek: Rowohlt. 2020. 656 S., 34,00 €
Dies ist wahrlich kein Buch für eine Nacht – eher schon ein Coffeetable-Dauergast, in den man immer wieder ein- und mit neuen Lektüreideen auftauchen kann. Michael Maar, Germanist, Literaturkritiker und Autor, geht in seinem Buch in immer neuen Anläufen der Frage nach, was denn das „Geheimnis großer Literatur“ ist – und woran man es als Leserin oder Leser erkennen kann. Vierzig Jahre Lesenszeit sind in dieses Buch eingeflossen, ebenso wie ein grandios sicheres Sprach- und Stilempfinden. Was einen guten von einem schlechten Autor unterscheidet, woran man einen gelungenen von einem weniger gelungenen Dialog erkennen, Stilblüten entlarven und falsche Zwischentöne heraushören kann, das erläutert Maar plausibel, auch für den Laienleser nachvollziehbar und immer mit heiterem Wohlwollen. Nebenbei liefert er fünfzig Lieblingsautoren-Porträts, die sich in Gänze zu einer eigenen Geschichte der deutschen Literatur verdichten lassen. Die Wunschliste der unbedingt zu lesenden Bücher wird nach der Lektüre von Maars Buch um Einiges länger sein: Denn er macht Lust auf die (Wieder-) Entdeckung so manchen Klassikers.
Köln: KiWi. 2021. 300 S., 24,00 €
Schwer zu sagen, wofür Julian Barnes größerer Respekt gebührt: für seinen mitreißenden, eleganten Erzählstil, bei dem selbst eine nüchterne Bildbeschreibung zum Leseabenteuer wird, oder für seine ebenso subtilen wie fundierten kulturhistorischen Recherchen zu jener Epoche an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, die als Belle Epoque in die europäische Geschichte eingegangen ist. An der Seite von Dr. Samuel Pozzi, einem heute vergessenen, seinerzeit legendären Gynäkologen mit exzellentem Ruf, medizinisch wie als Liebhaber (!), wandelt Barnes durch diese Epoche, lässt uns teilhaben an ihren Höhen und Tiefen, ihren prominenten Vertretern, von Oscar
Wilde bis Sarah Bernhardt, an ihren Verschrobenheiten und Fortschrittsfantasien und nicht zuletzt an dem gerade zwischen Frankreich und England gepflegten Austausch von Ideen. Das waren noch europäische Zeiten… und man liegt sicher nicht falsch, wenn man in diesem mit viel heiterer Distanz und Ironie erzählten Buch auch den einen oder anderen Seitenhieb auf die aktuelle Lage diesseits und jenseits des Ärmelkanals erkennt!