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In (Corona-)Zeiten wie diesen bekommt der Wert von Kultur, von
Literatur eine ganz neue Dimension. Bücher sind nie ein Verlegenheitsgeschenk auf dem Gabentisch, sondern immer eine wertschätzende Gabe für den/die Beschenkte(n). Zumal, wenn die Auswahl verrät, dass der Schenkende liebevoll ausgewählt hat, um Vorlieben und Interessen seiner Lieben möglichst genau zu treffen. Um Ihnen diese Auswahl ein bisschen zu erleichtern, haben wir auch in diesem Jahr aus der Fülle der Neuerscheinungen wieder eine kleine handverlesene Zusammenstellung erarbeitet, die Empfehlungen für unterschiedlichste Interessen bereithält.
Lese- und Geschenktipps von Rita Mielke für alle…
Colm Tóibín: Der Zauberer
Wer neben der zeitgenössischen Literatur gern auch mal den einen oder anderen „Klassiker“ zur Hand nimmt, wird früher oder später auch bei Thomas Mann landen. Als „Einstieg“ in sein Werk – und Leben – bietet sich jetzt der „Roman“ an, den der große Ire Colm Tóibín dem „Zauberer“ gewidmet hat: eine weltgeschichtlich so bedeutsame Lebensgeschichte, die mit dem kleinen „Thomas“ beginnt, der immer im Schatten seines Bruders Heinrich steht, dann den Familienvater zeigt, der zwischen homosexuellem Begehren und familiärem Pflichtgefühl aufgerieben wird, und schließlich zur Begegnung mit dem Exilanten führt, der sich nachdrücklich zur deutschen Geschichte – und Gegenwart – positioniert. Tóibín erzählt mit spürbarer Empathie, vielschichtig, ungeheuer dicht, von seiner Sicht auf diesen „Großen“ der deutschen Literatur. Mit seinem zuweilen augenzwinkernden Unterton gelingen ihm dabei wunderbar eindringliche, zuweilen skurrile Szenen.
Elke Heidenreich: Hier geht’s lang! Mit Büchern von Frauen durchs Leben
Sie schafft es immer wieder, ihre Bücher so zu schreiben, dass man beim Lesen ihre Stimme im Ohr hat und meint, sie selbst zu hören: Elke Heidenreich ist eine fulminante Erzählerin, erst recht dann, wenn es um ihre „Herzensthemen“ geht. In ihrem neuen, weitgehend autobiografischen Buch erzählt sie, wie sie selbst zur Dauer-Viel-Leserin wurde, welche Bücher ihren Lebensweg gesäumt haben, warum es vor allem und immer wieder Autorinnen waren, deren Texte sie in besonderer Weise ansprachen und bewegten. Ob „Nesthäkchen“ oder „Vom Winde verweht“, ob Ingeborg Bachmann oder Carson McCullers, Colette oder Catherine Mansfield: Elke Heidenreich verbindet ihre eigene Lesebiografie immer auch mit Leseempfehlungen, weil sie „das Missionieren nicht lassen kann“ und weiß, dass ihre Leser*innen genau das an ihr schätzen – gerade auch dann, wenn sie mit ihren Urteilen mal übers Ziel hinausschießt.
Angela Stöger: Von singenden Mäusen und quietschenden Elefanten
Wir müssen lernen zu verstehen, dass wir Menschen nicht die Einzigen auf dieser Welt sind, die etwas zu sagen haben.“ Angela Stöger ist „Bio-Akustikerin“ und Verhaltensforscherin und seit vielen Jahren mit der Kommunikation unter Tieren beschäftigt. In ihrem Buch erzählt sie u.a., dass Geparden in freier Wildbahn wie Vögel singen, um ihre Kommunikation zu „tarnen“ und sogar die eher schweigsamen Giraffen bei Nacht zuweilen „summen“. Sie hat erforscht, wie Elefanten miteinander kommunizieren – und wie einsam sie sind, wenn sie niemanden zum „Reden“ haben. Und sie kann nachweisen, dass die natürliche Lautkommunikation vieler sozial lebender Tiere als bewusst und zielgerichtet zu deuten ist. All das ist für die Wienerin ein Indiz für die Großartigkeit und Faszination der Tierwelt, die es so unbedingt zu schützen gilt. Ein grandioses Buch mit einem ebenso grandiosen Plus: Über QR-Codes kann man sich eine Vielzahl von „Tiersprachen“ unmittelbar anhören.
Tom Hillenbrand: Goldenes Gift Xavier Kieffer ermittelt.
Der jüngste Fall mit dem ehemaligen Luxem-
burger Sternekoch Xavier Kieffer und seiner Freundin Valérie Gabin entführt in die Welt des Honigs und der Imker. Ein aktuelles und brisantes Thema, nicht nur, weil es um die heimischen Bienenvölker schlecht bestellt ist, sondern auch, weil das weltweite Geschäft mit dem „flüssigen Gold“ jede Menge Panschereien und Betrügereien Tür und Tor öffnet. Mitten hinein in diese dubiosen Machenschaften gerät Xavier Kieffer, als sein Luxemburger Imkerlieferant zu Tode kommt und die Bienenstöcke, die er überall in der Stadt aufgestellt hatte, auf mysteriöse Weise verschwinden. Mit gewohnt leichter Hand verknüpft Hillenbrand einen spannenden Kriminalfall mit viel
Insiderwissen: Da gefriert zwar nicht das Blut in den Adern,
aber der Honig auf dem Frühstücksbrötchen könnte schon ein bisschen fad schmecken…
Karl-Heinz Göttert: Weihnachten Biografie eines Festes
Tannenbaum und Kerzenlicht, Festtagsbraten und traute Familienrunde: Weihnachten, wie wir es kennen und (vielleicht) lieben, hat einen weiten Weg zurücklegen und dabei so manche Kapriole erleben müssen. Von den heidnischen Saturnalien und der Wintersonnenwende bis zum Geburtsfest des christlichen Erlösers und dessen jährlicher „Inszenierung“ liefert der Germanist Karl-Heinz Göttert einen spannenden historischen Überblick. Die mittelalterlichen „Weihnachtsspiele“ werden dabei ebenso beschrieben wie die Entstehung von Tannenbaumromantik und Krippenfrömmigkeit im bürgerlichen Zeitalter. Keinen Hehl macht Göttert daraus, dass ihm die zeitgenössische Reduktion des Festes als Staffage für Einkaufsstress und Geschenkorgien zutiefst widerstrebt. So kann man sein Buch durchaus auch als Mahnung lesen…