A young woman is reading a book sitting by the Christmas tree.
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Die Lust am Lesen und an der Literatur sei Zeugnis für die Lust am Leben, hat Elke Heidenreich einmal gesagt. Diese „Lust am Leben“ mit einem Buchgeschenk zu Weihnachten zu befördern, ist ein schönes Signal, zumal in Krisenzeiten wie den gegenwärtigen. Um Ihnen bei der Auswahl eines passenden Buches behilflich zu sein, haben wir auch in diesem Jahr aus der Fülle der Neuerscheinungen wieder eine kleine handverlesene Zusammenstellung erarbeitet, die Empfehlungen für unterschiedlichste Interessen bereithält.
Lese- und Geschenktipps von Rita Mielke.
Ann-Helén Laestadius: Das Leuchten der Rentiere. 448 S., 25,00 €
Jahrhundertelang galten die Samen im äußersten Norden Skandinaviens als zivilisatorisch rückständige Barbaren. Erst seit einigen Jahrzehnten erfolgt bei den Sami selbst wie außerhalb ihrer Kultur eine wertschätzende Rückbesinnung auf die außergewöhnlichen Traditionen – spürbar nicht zuletzt an einer Vielzahl von Romanen, die sich den Menschen hoch im Norden widmen. Einer der eindringlichsten Romane, der das Leben mit den für die Kultur unersetzbaren Rentieren schildert, erzählt sprachgewaltig und in intensiven Bildern von Elsa, der Tochter samischer Rentierhirten. Dass sie als Kind mitansehen muss, wie ein im ganzen Dorf bekannter Mann ihr Rentierkalb brutal ermordet, wird zur prägenden Erfahrung für ihr gesamtes weiteres Leben. Je mehr Diskriminierung sie als Studentin und später als Lehrerin erfährt, desto mutiger setzt sie sich zur Wehr, verteidigt ihre Rolle als Sami und Frau – bis am Ende ihr eigenes Leben in Gefahr gerät. Viel Atmosphäre, viele Informationen und ein hochspannendes Geschehen – perfekte Lektüre für lange dunkle Winterabende.
Vincent Klink: Ein Bauch spaziert durch Venedig. 320 S., 25,00 €
um seine Bienenvölker – oder geht auf kulinarische Entdeckungsreisen. Und über diese schreibt er dann, in einer wahrhaft einzigartigen Mischung aus architektur- und kunstbeflissenem Reiseführer – und natürlich jeder Menge kulinarischer Geschichten. In seinem neuesten Buch widmet er sich seinem Allzeit-Sehnsuchtsort, Venedig, und der gesamten Region Venetien. Die vielleicht wichtigste (kulinarische) Lektion, die wir als Leser darin lernen, lautet: D i e italienische Küche gibt es gar nicht. Der Norden Italiens, erklärt er, ist keineswegs „Olivenöl-Land“, sondern vielmehr der Butter verfallen. Bittere Gemüse, Radicchio oder Chicorée, spielen eine große Rolle, marinierte kleine Sardinen sind – wie Polenta – ein kulinarischer Dauerbegleiter. Und der Parmesan, Klinks Lieblingskäse, hat hier seine Heimat. Vincent Klink zu lesen, bedeutet, Kopf und Bauch auf eine Sehnsuchtsreise zu schicken. Die feine Rezeptauswahl ermöglicht es, sich Venedig und Venetien ein bisschen auf der Zunge zergehen zu lassen.
Die BilderBuchBande feiert Weihnachten. 250 S., 25,00 €
Ein wunderbares Geschenk für Kinder (zum Vorlesen) und zugleich eine herzerwärmende Freude für alle erwachsenen Liebhaber zauberhafter Bilder-Bücher: Der neue Sammelband der „BilderBuchBande“ begleitet uns mit stimmungsvollen Geschichten von St. Martin bis in die Heilige Nacht und von dort noch weiter bis Silvester und zu den Heiligen drei Königen. Aus aller Herren Länder haben sich Illustratoren für dieses schöne Projekt zusammengefunden, und ihre liebevoll gestalteten Bilder laden ein zum Schauen und Entdecken und Träumen. Die Texte, teils historisch, teils zeitgenössisch, treffen jenen magischen Erzählton, der vor dem inneren Auge unversehens jene Zeiten heraufbeschwört, in denen das Wünschen noch geholfen hat… So viel Zauber darf man sich zu den Festtagen getrost auch selbst einmal gönnen!
Karine Tuil: Diese eine Entscheidung. 350 S., 23,00 €
Alle, die Ian McEwans „Kindeswohl“ verschlungen haben, werden vom Roman der Französin Tuil gleichermaßen begeistert sein: In diesem Fall steht im Zentrum die Untersuchungsrichterin Alma Revel, die in der Abteilung Terrorismusbekämpfung arbeitet. Dort muss sie über den jungen Syrien-Heimkehrer Abdeljalil Kacem befinden, der im Verdacht steht, in Paris einen Anschlag zu planen. Sie hält seine Unschuldsbeteuerungen für glaubhaft und lässt ihn frei! Es ist diese (titelgebende) „eine Entscheidung“, die katastrophale Folgen haben wird, nicht nur für sie! Dass Alma, verheiratet und Mutter dreier Kinder, ausgerechnet mit Abdeljalils Anwalt eine Liaison hat, gibt dem Fall – und dem Thema – eine zusätzliche Dimension. Dank eines besonderen erzählerischen Kniffs, der quasi das Ende der Ereignisse schon zu Beginn erkennbar macht, bleibt viel Raum, um die hochkomplexen Ebenen des Buches, politisch, privat, emotional, psychologisch, intensiv auszuleuchten. Der Spannung tut das keinen Abbruch – im Gegenteil. Karine Tuils Roman verbindet – was selten so gelingt – jede Menge Nachdenkpotential mit allerfeinsten Schmökerqualitäten.
Robert Macfarlane: Berge im Kopf. 318 S., 34,00 €
So manche Bergregion ächzt inzwischen unter der Last tausender Touristen, die sich Jahr für Jahr als Gipfelbezwinger beweisen wollen. Das war nicht immer so, wie die Lektüre des ungeheuer erhellenden Buches von Robert Macfarlane beweist. Der Brite, der als einer der „Erfinder“ des modernen „nature writing“ gilt, erzählt darin von seinen eigenen Bergsteigererfahrungen ebenso wie von der Geschichte des besonderen Verhältnisses zwischen Mensch und Berg. Bis in die Romantik galten Berge und Gebirge als Orte des Schreckens, die es zu meiden galt. Erst ein neues Naturverhältnis weckte auch die zumeist männliche Entdeckerlust auf die ebenso faszinierenden wie gefährlichen Bergwelten. Höhenrausch und die Erhabenheit einsamer Gipfel, vermischt mit jenem Quentchen Angst, das jede Bergbesteigung begleitet, beschreiben bis heute die einzigartige emotionale Mischung, die die einen wie eine lebenslange Krankheit befällt, während andere absolut immun dagegen sind. Macfarlane vermischt in anschaulicher Weise Erlebnisberichte mit gründlich recherchierten kulturhistorischen Hintergründen.