Einen guten Koch und eine gute Köchin erkennt man daran, dass er/sie die Zutaten zu einem wohlschmeckenden Gericht perfekt zu dosieren versteht: Auf die wohl abgewogene Mischung der verschiedenen Zutaten kommt es an. Das ist beim Schreiben nicht anders. Ob eine Kriminalgeschichte gut „funktioniert“, ob sie Grusel und Gänsehaut oder auch ein entspanntes „Lese-Wohlgefühl“ auslöst, hängt vom Handlungsfaden, aber auch von vielen atmosphärischen „Zutaten“ ab. Eine Meisterin der wohl dosierten Krimimischung ist Camilla Trinchieri. In Prag geboren, in den USA lebend, hat sie durch ihren Vater, einen italienischen Diplomaten, und viele Aufenthalte in seiner Heimat einen besonderen Bezug zur Toskana. Davon legt ihre kleine Krimireihe um den ehemaligen Cop des New York Police Department, Nico Doyle, beredtes Zeugnis ab. Nach dem frühen Tod seiner Frau und dem Verlust seines Jobs hat der seine Zelte in den Staaten abgebrochen und ist in das kleine italienische Heimatdorf seiner Frau gezogen. „Toskanisches Vermächtnis“, der erste von drei Romanen, bringt ihn dort in Kontakt mit dem örtlichen Polizeichef Salvatore Perillo. Der fühlt sich mit der Aufklärung eines Mordes überfordert. Und da Nico Doyle die Leiche in den Bergen des Chianti selbst aufgespürt hat und die goldenen Turnschuhe des Toten vermuten lassen, dass er kein Eiheimischer, sondern womöglich auch aus den USA zugereist ist, liegt es nahe, ihn in die Ermittlungen einzuspannen. Daraus entwickelt sich eine amerikanisch-italienische Mördersuche, die das Ermittlerduo mitten hineinführt in die Strukturen eines kleines Dorfes, in dem jeder jeden kennt und in dem um der Gemeinschaft willen über alle Geheimnisse der Mantel des Schweigens gebreitet wird. Nico Doyle muss beweisen, was alles an kriminalistischem Spürsinn in ihm steckt. Sein größtes Problem dabei ist, dass er auch die Familie seiner verstorbenen Frau, die ihn so freundschaftlich aufgenommen hat und ihn jederzeit als Aushilfe in ihrem „ristorante“ willkommen heißt, von den Ermittlungen nicht ausnehmen kann…
Camilla Trinchieri mischt einen bis zum Schluss spannend erzählten Mordfall mit einer guten Dosis Lokalkolorit: Die Sonne der Toskana, die sanften Hügel des Chianti, die kleinen Dörfer mit ihren verwinkelten Straßen und Gassen - all das lässt sie atmosphärisch dicht vor den Augen der LeserInnen lebendig werden. Und erst die toskanische Küche: In jedem der zwanzig Kapitel des Buches wird gekocht, gegessen, geschwelgt in den Weinen der Region und über köstliche Lebensmittel und Rezepte leidenschaftlich diskutiert. Nur Kostverächtern wird bei diesem – so typisch italienischen - kulinarischen Ambiente nicht das Wasser im Mund zusammenlaufen. Und am Ende des Buches wird man genauso heiß-hungrig dem nächsten Band der Krimireihe (schon erschienen: „Toskanische Vergeltung“, Bd. 3 im Juni: „Toskanische Verdammnis“) wie einem opulenten italienischen Abendessen entgegenfiebern!
Rita Mielke
Camilla Trinchieri: Toskanisches Vermächtnis. Berlin: Insel. 2021. 364 S., 10,- €
Camilla Trinchieri: Toskanische Vergeltung: Berlin: Insel. 2022. 372 S., 10,95 €