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„Wir lagen auf der Wiese und baumelten mit der Seele“: Urlaubsfeeling pur, perfekt in wenige Worte gekleidet in einem der schönsten – und immer wieder lesenswerten – Sommerromane, verfasst von Kurt Tucholsky und 1931 unter dem Titel „Schloss Gripsholm“ veröffentlicht. Aber auch zeitgenössische Autorinnen und Autoren schaffen es hervorragend, uns mit ihren Geschichten in allerbeste Sommerlaune zu versetzen. Eine kleine Auswahl haben wir für Sie zusammengestellt – damit Sie den Sommer lesend – und hoffentlich auch sonst - in vollen Zügen genießen können.
Köln: Dumont. 2023. 272 S., 12,00 €
Camille ist 81, Isabelle, die Ex-Schwiegertochter, gerade mal 48. Nach dem plötzlichen Tod des Sohnes resp. Ex-Ehemanns kommen die beiden, die sich immer gemocht haben, wieder zusammen und beschließen spontan, das zu tun, was sie immer schon vorhatten. Und so begeben sie sich auf einen Roadtrip, bei der sie einander ihre jeweilige Heimat – im einen Fall die Bretagne, im anderen die Normandie – nahebringen. Frankreichflair vom Feinsten, voller Lebensgefühl, reich an Farben und Bildern und Stimmungen , mit herrlich appetitanregenden Ausflügen zur Koch- und Küchenkultur. Und darüber hinaus ein warmherziges und liebevolles Plädoyer für ‚echte‘ Freundschaft und für den Mut, gemeinsam Neues zu wagen.
Zürich: Diogenes. 2022. 240 S., 13,00 €
Bas Kast ist eigentlich Sachbuchautor, aber erzählen kann er auch – und wie. „Das Buch eines Sommers“ ist in leichtem Ton und völlig unspektakulär erzählt, und doch steckt es voller lebenskluger und bedenkenswerter Sentenzen. Kas‘ Protagonist Nicolas hat immer davon geträumt, Schriftsteller zu werden, wie sein Onkel Valentin, der für ihn die wichtigste Bezugsperson seiner Kindheit und Jugend war. Nach Valentins Tod fliegt Nicolas mit Frau und Sohn in den Süden zur Beerdigung und um das Haus zu inspizieren, das er geerbt hat. Und dort, wo er mit den Erinnerungen an den Onkel konfrontiert wird, gerät sein ganzes Leben in Bewegung, der ungeliebte Job als Erbe des väterlichen Pharmaunternehmens, die Rolle als Vater und Ehemann mit viel zu wenig Zeit für Privates, der unerfüllte Traum von einem ganz anderen Leben… Bas Kas erzählt ebenso unprätentiös wie eindringlich die Geschichte einer Selbstfindung und die Suche nach Antworten auf die wirklich existenziellen Fragen des Lebens.
Berlin: Penguin. 2023. 352 S., 22,00 €
Ein Sommer-Garten-Roman – ernst und heiter zugleich, zuweilen ein bisschen melancholisch, vor allem aber Mut machend. Denn schlimmer, als das Schicksal die junge Amande getroffen hat, kann es gar nicht kommen: Erst verliert sie kurz vor der Hochzeit ihren künftigen Ehemann durch einen tragischen Unfall, und dann auch noch das Kind, mit dem sie schwanger war. Was ihr bleibt, ist der Rückzug, in ein altes Haus auf dem Land, wo sie mit ihrer Trauer ungestört ist. Aber dann findet sie eines Tages in einer Schublade die Gartenaufzeichnungen ihrer Vormieterin. Amande beginnt, sich mit dem alten Garten zu beschäftigen. Sie erntet die ersten Kräuter, freut sich an Blüten, erlebt auch kleine Rückschläge. Wie ein zartes Pflänzchen entwickeln sich in ihrer verwundeten Seele eine Art neues Glück und Lebensfreude… Die Französin da Costa erweist sich als profunde und passionierte Gartenkennerin, mit Sinn für Details und liebevolle Beschreibungen. Ihre Amande wächst uns schnell ans Herz – und mit ihr lernen wir, wie viel Kraft aus der Beschäftigung in und mit der Natur erwachsen kann.
München: Diana. 2022. 400 S., 11,00 €
Sie sind ein perfektes Paar, Anna und Christoph in ihrem schicken Loft in Hamburg, perfekte Ausstattung, perfektes Essen, Geld genug für ein perfektes Leben. Aber dann erleidet Anna nach einem perfekten Wochenende an der Côte d’Azur im Flieger eine Panikattacke und muss den Flieger kurz vor dem Start fluchtartig verlassen. Jetzt steht sie allein in Nizza, ohne Gepäck und ohne Geld. In dieser Situation trifft sie auf den Meeresbiologen Harm, der in seinem schon betagten Auto Bienenköniginnen zurück nach Kiel transportieren will und Anna eine Mitfahrgelegenheit bietet. Für beide beginnt ein Roadtrip der besonderen Art, für beide ist es eine Reise durch eine wunderschöne Landschaft – und zugleich in die eher zerklüfteten eigenen Seelenwelten… mit, soviel sei verraten, einem herzzerreißenden Happyend. Sommerlektüre mit intensivem Provence-Feeling!
Hamburg: KJM Buchverlag. 2023. 140 S., 20,00 €
„Nature writing“ heißt im englischsprachigen Raum eine Literaturgattung, die das Schreiben über die Natur nicht im Stil eines Sachbuchs, sondern literarisch und immer mit Blick auf den Menschen als „Wahrnehmungsinstanz“ betreibt. Dafür liefert das „Strand“-Buch eindrucksvolle Beispiele. Etwa, wenn Co-Autorin Hella Kemper von ihren Erinnerungen an die „Kinderlandverschickung“ nach Norderney erzählt. Der Strand „wurde meine Heimat. … Aber vermutlich reicht kein Strand weit genug, um ein Kind aus seiner Einsamkeit zu erlösen.“ Persönliches und Fachliches, Kulturgeschichte und Geologie, Sandarten und Wellendynamik und die Folgen des ansteigenden Meeresspiegels werden in diesem hochwertig gestalteten und ebenso informativ wie anregend geschriebenen Buch erkundet, zumeist mit Bezug auf Nord- und Ostsee, mit denen Autor und Autorin unüberhörbar eine Beziehungsgeschichte der besonderen Art verbinden. Perfekte „Strand“-Lektüre!