Axel S. Meyer hat sich als Verfasser historischer Romane einen Namen gemacht. In einer Mischung aus Fakten und Fiktion, zumeist augenzwinkernd und mit beachtlichem Sinn für Kuriositäten, gelingt es ihm immer wieder, seine Leserinnen und Leser mit opulenter Anschaulichkeit und einem detailgenauen Zeitkolorit in vergangene Epochen zu entführen und die Lebensleistungen realer – oder fiktiver – historischer Persönlichkeiten lebendig werden zu lassen.
Im vorliegenden Roman widmet er sich einem Mann, dessen Lebensleistung bis heute fortwirkt. Denn wann immer wir uns mit Flora und Fauna beschäftigen, werden zur exakten biologischen Kennung jeweils zweiteilige lateinische Namen verwendet: Der erste bezeichnet die Gattung, der zweite die Art. Homo sapiens, Tyrannosaurus rex oder auch die Paeonia officinalis, die Pfingstrose, sind so – neben Tausenden anderen Tieren und Pflanzen - zu ihren lateinischen Namen gekommen. Zu verdanken ist diese ‘Erfindung’ dem schwedischen Botaniker und Mediziner Carl von Linné, der im Mai 1707 in Südschweden als Sohn eines Pfarrers zur Welt kam und sich schon früh für die Pflanzenwelt begeisterte. Nach seinem Medizinstudium und einigen abenteuerlichen Forschungsreisen veröffentlichte er 1735 sein bahnbrechendes Werk „Systema Naturae". Als Professor an der Universität Uppsala wusste er seine Studenten, die aus allen Teilen Europas herbeiströmten, zu begeistern. Seine „Apostel”, wie er sie nannte, entsandte er in die entlegensten Winkel der Welt – mit dem Auftrag, die dortige Tier- und Pflanzenwelt zu erforschen und die Linnésche Klassifikation einzuführen. Axel S. Meyer erzählt in seinem Roman ausschnitthaft die Lebensgeschichte dieses durchaus exzentrischen Menschen im Kontext des aufklärerischen 18. Jahrhunderts. Er bedient sich dabei eines besonderen Kniffs, der das Lesen zu einem wirklichen Vergnügen macht: Denn er legt den Fokus auf eine zweite Figur, den deutschen Arzt Johann Georg Siegesbeck, der erbittert an seinem eigenen Ruhm arbeitet und gegen die Erfolge Linnés ankämpft. Weil Linnés „Sexualsystem” Pflanzen anhand ihrer Fortpflanzungsmerkmale klassifizierte, versuchte Siegesbeck Linné der Ketzerei zu überführen. Der Kampf der beiden mit- und gegen-
einander erscheint in Meyers Darstellung wie ein veritabler Wissenschaftskrimi des 18. Jahrhunderts. Sieger war eindeutig Linné, denn Siegesbeck ist heute ein Vergessener, Linnés System aber lebt in der Biologie der Pflanzen- und Tierwelt bis heute fort. Dass dem so sein würde, hat Linné, ein Mann von ausgeprägtem Selbstbewusstsein, nie angezweifelt: „Gott schuf, Linné ordnete” soll er zu Lebzeiten seinen Studenten immer wieder eingebläut haben!!
Rita Mielke
Axel S. Meyer: Der Mann, der die Welt ordnete. Hamburg: Rowohlt. 2023. 416 S., 14,- €