Es gibt für alles eine Zeit – auch für die Farbe Rosa. Aktuell steht sie wieder einmal hoch im Kurs, gern in Kombination mit Rot oder Orange, undenkbar noch vor wenigen Jahrzehnten, aber heute durchaus „en vogue“: Es darf und muss ein bisschen farbenprächtig zugehen, in Zeiten, in denen ansonsten Stimmung und Weltlage eher zu trübem Grau und Schwarz tendieren. „Vom Zauber einer Farbe“ deklariert der Philosoph und Literaturwissenschaftler Björn Vedder seine ebenso anregende wie unterhaltsame Reise durch die Kulturgeschichte einer Farbe, die für ihn in den zeitgenössischen „Hello Kitty“- und Barbie-Plastik-Variationen allenfalls einen müden Abklatsch feiern kann. Denn in der Malerei, in der Literatur, in der Kultur hat Rosa über Jahrhunderte hinweg eine viel größere Dimension und Tragweite gehabt als es die „süße kleine Mädchen“-Kommerzialisierung heute vermuten lässt. Angeregt wurde Björn Vedder zu seinem Buch über eine Ausstellung in Berlin, die den Titel „Rosa sehen statt untergehen“ trug und damit eine freie Übersetzung des amerikanischen „Pink or sink“ lieferte. Was für eine Idee: Dass ein rosaroter Blick auf die Welt helfen könnte, die allgemeine Krisenstimmung zu meistern. Dass eine Spur mehr Heiterkeit und Optimismus einen Ausweg bieten könnte, weil – wenn das Leben auf der Kippe steht – nicht die Krise selbst uns niederstreckt, sondern unser Verhalten der Krise gegenüber. Oder, um es mit Peter Fox zu formulieren: „Alle malen schwarz, ich seh‘ die Zukunft pink/ Wenn du mich fragst, wird alles gut, mein Kind.“
Von diesem Ausgangspunkt unternimmt Vedder eine Reise in die Geschichte jener Farbe, die – „das kleine Rot“ – ursprünglich als Verbindung von kraftvollem Rot und unschuldigem Weiß gedeutet wurde und in der Geschichte des Adels etwa die Farbe der jungen Männer war. Madame Pompadour trug Rosa, um damit ihre Emanzipation von der Mätresse zur ernstzunehmenden und einflussreichen Politikerin zu signalisieren. Und im christlichen Kontext ist Rosa die Farbe des Heiligen Geistes, war über Jahrhunderte eine bevorzugte Farbe der Freskenmaler in den italienischen Kirchen und bevorzugte Farbe der Mariendarstellungen. Die spirituelle Dimension der Farbe Rosa setzte sich bis in die Moderne fort: Der große Künstler Yves Klein etwa malte in fortschreitendem Alter verstärkt monochrome rosafarbene Bilder und definierte das Rosa als komplementär zu Blau: Blau die Vergeistigung der Materie, Rosa die Materialisation des Geistes.
Björn Vedder auf seiner klugen Spurensuche zu folgen, von der Mode über den Film bis hin zu Porzellan und Dekoration, und sich dabei die politische Dimension dieser nur scheinbar so putzig-süßlichen Farbe zu vergegenwärtigen, ist ein höchst anregendes Lesevergnügen. Ob man die eigene Vorliebe oder Abneigung am Ende revidiert, sei dahingestellt. Eines jedoch nimmt man als Erkenntnis definitiv mit:
Ein bisschen rosarote Brille schadet niemandem!
Rita Mielke
Björn Vedder. Rosa. Vom Zauber einer Farbe. Hamburg: HarperCollins. 2025. 274 S., 20€